Relativistisches Additionstheorem für Geschwindigkeiten
Das Relativistische Additionstheorem für Geschwindigkeiten besagt, wie die Geschwindigkeit u→{displaystyle {vec {u}}} eines Objekts in einem bestimmten Bezugssystem zu bestimmen ist, wenn das Objekt sich mit einer Geschwindigkeit u→′{displaystyle {vec {u}}'} gegenüber einem zweiten Bezugssystem bewegt, das sich selber gegenüber dem ersten mit einer Geschwindigkeit v→{displaystyle {vec {v}}} bewegt.
In der klassischen Mechanik werden Geschwindigkeiten vektoriell addiert (u→=u→′+v→{displaystyle {vec {u}}={vec {u}}'+{vec {v}}}) und haben daher keine obere Schranke. Da aber nach der speziellen Relativitätstheorie hierbei die Lichtgeschwindigkeit c{displaystyle c} nicht überschritten werden kann, gelten andere Formeln. Sie können aus der Lorentztransformation für gegeneinander bewegte Inertialsysteme hergeleitet werden. Die Unterschiede machen sich bemerkbar, wenn eine oder beide der zu addierenden Geschwindigkeiten nicht mehr vernachlässigbar klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit ist.
Das relativistische Additionstheorem für Geschwindigkeiten ist durch Messungen bestätigt worden.
Inhaltsverzeichnis
1 Definition
2 Interpretation
3 Folgerungen
3.1 1. Beispiel
3.2 2. Beispiel
4 Herleitung
5 Weblinks
Definition |
Ein Beobachter B′{displaystyle {mathcal {B}}^{prime }} bewege sich gegenüber dem Beobachter B{displaystyle {mathcal {B}}} mit der Geschwindigkeit v{displaystyle v} in Richtung der x{displaystyle x}-Achse. Für den Beobachter B′{displaystyle {mathcal {B}}^{prime }} bewege sich ein Körper mit der Geschwindigkeit u' =(ux′,uy′,uz′).{displaystyle =(u_{x}^{prime },u_{y}^{prime },u_{z}^{prime }),.} Dann hat dieser Körper für den Beobachter B{displaystyle {mathcal {B}}} die Geschwindigkeit u mit den Komponenten
- ux=ux′+v1+ux′vc2⇔uxc=ux′c+vc1+ux′c⋅vc{displaystyle u_{x}={dfrac {u_{x}'+v}{1+{dfrac {u_{x}',v}{c^{2}}}}}qquad qquad Leftrightarrow {dfrac {u_{x}}{c}}={dfrac {{dfrac {u_{x}'}{c}}+{dfrac {v}{c}}}{1+{dfrac {u_{x}'}{c}}cdot {dfrac {v}{c}}}}}
- uy=uy′1−(vc)21+ux′vc2=uy′1γ(1+ux′vc2){displaystyle u_{y}={dfrac {u_{y}'{sqrt {1-left({dfrac {v}{c}}right)^{2}}}}{1+{dfrac {u_{x}',v}{c^{2}}}}}=u_{y}',{dfrac {1}{gamma left(1+{dfrac {u_{x}',v}{c^{2}}}right)}}}
- uz=uz′1−(vc)21+ux′vc2=uz′1γ(1+ux′vc2){displaystyle u_{z}={dfrac {u_{z}'{sqrt {1-left({dfrac {v}{c}}right)^{2}}}}{1+{dfrac {u_{x}',v}{c^{2}}}}}=u_{z}',{dfrac {1}{gamma left(1+{dfrac {u_{x}',v}{c^{2}}}right)}}}
mit
- der Lichtgeschwindigkeit c{displaystyle c} und
- dem Lorentzfaktor (der stets größer gleich 1 ist)
- γ=11−(v/c)2{displaystyle gamma ={frac {1}{sqrt {1-(v/c)^{2}}}}}
Koordinatenfrei ausgedrückt: Die resultierende Geschwindigkeit u→{displaystyle {vec {u}}} ergibt sich aus der einfachen Addition der Geschwindigkeiten (u→′+v→{displaystyle {vec {u}}'+{vec {v}}}) mit folgenden Modifikationen:
- Die Geschwindigkeit u→{displaystyle {vec {u}}} ist um den Faktor 1+u→′⋅v→c2{displaystyle 1+{tfrac {{vec {u}}'cdot {vec {v}}}{c^{2}}}} kleiner.
- Die Komponenten der Geschwindigkeit u→{displaystyle {vec {u}}} senkrecht zu v→{displaystyle {vec {v}}} sind zusätzlich um den Faktor 1/γ{displaystyle 1/gamma } kleiner.
Interpretation |
Sind die beteiligten Geschwindigkeiten sehr klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit
- v≪c⇔vc≪1,{displaystyle vll cLeftrightarrow {frac {v}{c}}ll 1,}
so unterscheidet sich der Nenner (und auch der Term unter der Wurzel im Zähler) kaum von 1
- ⇒1+ux′vc2≈1,1−(vc)2=1γ≈1{displaystyle Rightarrow 1+{frac {u_{x}',v}{c^{2}}}approx 1,qquad {sqrt {1-left({frac {v}{c}}right)^{2}}}={frac {1}{gamma }}approx 1}
und es ergibt sich in guter Näherung die übliche nichtrelativistische Geschwindigkeitsaddition:
- ⇒ux≈ux′+vuy≈uy′uz≈uz′.{displaystyle {begin{aligned}Rightarrow u_{x}&approx u_{x}'+v\u_{y}&approx u_{y}'\u_{z}&approx u_{z}'.end{aligned}}}
Beispiel: in einem mit v=200 km/h{displaystyle v=200 mathrm {km/h} } fahrenden Zug B′{displaystyle {mathcal {B}}^{prime }} läuft eine Person mit ux′=5 km/h{displaystyle u_{x}^{prime }=5 mathrm {km/h} } relativ zum Zug in Fahrtrichtung. Die von einem am Bahndamm stehenden Beobachter B{displaystyle {mathcal {B}}} gemessene Geschwindigkeit ux{displaystyle u_{x}} der Person ist gerade mal um 0,17 nm/h langsamer als die bei einfacher Addition erhaltenen ux′+v=205 km/h{displaystyle u_{x}^{prime }+v=205 mathrm {km/h} }. Zum Vergleich: der Durchmesser eines Atoms liegt in der Größenordnung von 0,1 nm. Das heißt, der „Zugläufer“ kommt in der Stunde knapp zwei Atomdurchmesser weniger weit, als man es bei nichtrelativistischer Rechnung erwarten würde – was bei einer zurückgelegten Strecke von 205 km sicher vernachlässigbar ist – ganz abgesehen von dem von Laien häufig übersehenen Gesetz der gültigen Ziffern.
Für Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit ergeben sich jedoch deutliche Abweichungen von der nichtrelativistischen Additionsregel, vgl. die folgenden Beispiele.
Folgerungen |
Als Folge des Additionstheorems kann auch durch Überlagerung zweier Geschwindigkeiten die Lichtgeschwindigkeit nicht übertroffen werden.
1. Beispiel |
Es sei
- v=0,75c,ux′=0,75c{displaystyle v=0{,}75c,quad u_{x}'=0{,}75c}
Dann ist
- ux=0,75c+0,75c1+0,75⋅0,75=1,5c1,5625=0,96c<c{displaystyle u_{x}={frac {0{,}75c+0{,}75c}{1+0{,}75cdot 0{,}75}}={frac {1{,}5c}{1{,}5625}}=0{,}96c<c}
und nicht etwa 1,5c.
2. Beispiel |
Ist die Geschwindigkeit u' für den Beobachter B′{displaystyle {mathcal {B}}^{prime }} gleich der Lichtgeschwindigkeit, dann ist sie es auch für den Beobachter B.{displaystyle {mathcal {B}}.}
Ist zum Beispiel
- ux′=0,uy′=c,uz′=0{displaystyle u_{x}'=0,quad u_{y}'=c,quad u_{z}'=0}
dann ist
- ux=v,uy=c/γ,uz=0,{displaystyle u_{x}=v,quad u_{y}=c/gamma ,quad u_{z}=0,}
also insbesondere
- ux2+uy2+uz2=v2+c2(1−v2c2)=c2=c.{displaystyle {sqrt {u_{x}^{2}+u_{y}^{2}+u_{z}^{2}}}={sqrt {v^{2}+c^{2}left(1-{frac {v^{2}}{c^{2}}}right)}}={sqrt {c^{2}}}=c.}
Herleitung |
Um das Formelbild einfach zu halten, verwenden wir als Längeneinheit die Strecke, die Licht in einer Sekunde zurückgelegt hat, und nennen sie eine Lichtsekunde. Dann haben Zeit und Länge dieselbe Maßeinheit und die dimensionslose Lichtgeschwindigkeit beträgt c=1.{displaystyle c=1.} Untersuchungen in anderen Maßsystemen bringen keine tieferen Einsichten.
Aus der inversen Lorentz-Transformation (Ersatz von v{displaystyle v} durch -v{displaystyle v})
- t=t′+vx′1−v2 ,x=x′+vt′1−v2 ,y=y′ ,z=z′{displaystyle t={frac {t'+v,x'}{sqrt {1-v^{2}}}} ,quad x={frac {x'+v,t'}{sqrt {1-v^{2}}}} ,quad y=y' ,quad z=z'}
folgt, da die Transformation linear ist, für die Differentiale
- dt=dt′+vdx′1−v2 ,dx=dx′+vdt′1−v2 ,dy=dy′ ,dz=dz′.{displaystyle mathrm {d} t={frac {mathrm {d} t'+v,mathrm {d} x'}{sqrt {1-v^{2}}}} ,quad mathrm {d} x={frac {mathrm {d} x'+v,mathrm {d} t'}{sqrt {1-v^{2}}}} ,quad mathrm {d} y=mathrm {d} y' ,quad mathrm {d} z=mathrm {d} z',.}
Daher folgt für die Geschwindigkeiten, die der Beobachter B{displaystyle {mathcal {B}}} ermittelt,
- ux=dxdt=dx′+vdt′dt′+vdx′=dx′dt′+v1+vdx′dt′=ux′+v1+vux′ ,{displaystyle u_{x}={frac {mathrm {d} x}{mathrm {d} t}}={frac {mathrm {d} x'+v,mathrm {d} t'}{mathrm {d} t'+v,mathrm {d} x'}}={frac {{frac {mathrm {d} x'}{mathrm {d} t'}}+v}{1+v,{frac {mathrm {d} x'}{mathrm {d} t'}}}}={frac {u_{x}'+v}{1+v,u_{x}'}} ,}
- uy=dydt=dy′1−v2dt′+vdx′=dy′dt′1−v21+vdx′dt′=uy′1−v21+vux′ ,{displaystyle u_{y}={frac {mathrm {d} y}{mathrm {d} t}}={frac {mathrm {d} y'{sqrt {1-v^{2}}}}{mathrm {d} t'+v,mathrm {d} x'}}={frac {{frac {mathrm {d} y'}{mathrm {d} t'}}{sqrt {1-v^{2}}}}{1+v,{frac {mathrm {d} x'}{mathrm {d} t'}}}}={frac {u_{y}'{sqrt {1-v^{2}}}}{1+v,u_{x}'}} ,}
- uz=dzdt=dz′1−v2dt′+vdx′=dz′dt′1−v21+vdx′dt′=uz′1−v21+vux′ .{displaystyle u_{z}={frac {mathrm {d} z}{mathrm {d} t}}={frac {mathrm {d} z'{sqrt {1-v^{2}}}}{mathrm {d} t'+v,mathrm {d} x'}}={frac {{frac {mathrm {d} z'}{mathrm {d} t'}}{sqrt {1-v^{2}}}}{1+v,{frac {mathrm {d} x'}{mathrm {d} t'}}}}={frac {u_{z}'{sqrt {1-v^{2}}}}{1+v,u_{x}'}} .}
Umgekehrt gilt (Ersetzen von v{displaystyle v} durch -v{displaystyle v}, und hier in der anderen eingebürgerten Schreibweise mit allen Faktoren c{displaystyle c} wiedergegeben):
- ux′=ux−v1−vuxc2 ,uy′=uy1−v2c21−vuxc2 ,uz′=uz1−v2c21−vuxc2 .{displaystyle u_{x}'={frac {u_{x}-v}{1-{frac {v,u_{x}}{c^{2}}}}} ,quad u_{y}'={frac {u_{y}{sqrt {1-{frac {v^{2}}{c^{2}}}}}}{1-{frac {v,u_{x}}{c^{2}}}}} ,quad u_{z}'={frac {u_{z}{sqrt {1-{frac {v^{2}}{c^{2}}}}}}{1-{frac {v,u_{x}}{c^{2}}}}} .}
Weblinks |
Wikibooks: Spezielle Relativitätstheorie – Lern- und Lehrmaterialien