Oberhessen




Oberhessen ist eine Landschaftsbezeichnung für ein Gebiet im mittleren Hessen, das zwischen 1815 und 1945 in etwa eine Provinz des Großherzogtums Hessen bzw. Volksstaats Hessen gleichen Namens bildete. Der Begriff Oberhessen ist mehrdeutig. Ursprünglich war er die Bezeichnung für einen Landesteil der früheren Landgrafschaft Hessen. Dieser wurde 1567 zunächst zwischen der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und der Landgrafschaft Hessen-Marburg aufgeteilt und ging nach dem Aussterben der Marburger Linie in Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel auf. Nach den territorialen Änderungen des Wiener Kongresses 1814/15 war das Gebiet zwischen dem Großherzogtum Hessen und dem Kurfürstentum Hessen (Kurhessen) aufgeteilt. Jeder dieser beiden hessischen Staaten bildeten mehrere Provinzen (Großherzogtum drei, Kurhessen vier), von denen jeweils eine den Namen Oberhessen erhielt. Im Gebiet des Großherzogtums Hessen erhielt der nördlich des Mains gelegene Teil diese Bezeichnung; die kurhessische Provinz Oberhessen wurde aus den Kreisen Frankenberg, Marburg, Kirchhain und Ziegenhain gebildet. Nach dem Deutschen Krieg wurde Kurhessen gänzlich von Preußen annektiert und gehörte solcherart dem neu gebildeten Norddeutschen Bund an; das Großherzogtum Hessen wurde von Preußen verschont (abgesehen vom annektierten Hessischen Hinterland), nur die Provinz Oberhessen musste dem Norddeutschen Bund beitreten.


Erst 1945 mit der Schaffung Groß-Hessens in der US-amerikanischen Besatzungszone wurden die Grenzen zwischen den beiden aus der Teilung 1567 hervorgegangenen hessischen Staaten aufgehoben, so dass der Begriff Oberhessen heute vor allem für die Bezeichnung der Landschaft nordöstlich des Rhein-Main-Gebiets verwendet wird. Als natürliche Grenzen gelten die Kinzig im Süden, die Fulda im Osten, die Lahn im Norden und die Dill im Westen. Zu Oberhessen gehören heute die Naturparks Lahn-Dill-Bergland und Hoher Vogelsberg, die Kulturlandschaft Wetterau und die Stadtregionen um Marburg und Gießen.[1]




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Mittelalter und frühe Neuzeit


  • 2 1815–1945


    • 2.1 Hessen-Kassel


    • 2.2 Hessen-Darmstadt


      • 2.2.1 Geographische Lage


      • 2.2.2 Gliederung


      • 2.2.3 Provinzialdirektoren






  • 3 Weblinks


  • 4 Einzelnachweise





Mittelalter und frühe Neuzeit |




Landgrafschaft Hessen um 1450; Oberhessen ist hier südlich der Grafschaft Ziegenhain


Der Begriff Oberhessen entstand im Mittelalter für das Teilgebiet bzw. „Oberfürstentum“ der Landgrafschaft Hessen, das durch die Grafschaft Ziegenhain bis 1450 vom „Niederfürstentum“ (Niederhessen) um Kassel und Gudensberg getrennt war. Es war aus dem Besitz der Gisonen hervorgegangen und wurde auch als „Land an der Lahn“ bezeichnet. Es umfasste das Gebiet von Biedenkopf und Gladenbach im Westen über das Zentrum Marburg bis Alsfeld im Osten sowie von Gießen und Grünberg im Süden bis Frankenberg im Norden.


Nach dem Vermächtnis des Landgrafen Philipp I. wurde Hessen aufgeteilt. Dabei bildete Oberhessen die Landgrafschaft Hessen-Marburg. Nach dem Tod des Marburger Landgrafen Ludwig IV. wurde Hessen-Marburg wiederum zwischen Hessen-Kassel, das den nördlichen Teil mit Marburg erhielt, und Hessen-Darmstadt, das den südlichen mit Gießen bekam, aufgeteilt. Auch das so genannte Hessische Hinterland um Gladenbach, Biedenkopf und Battenberg kam damit zu Hessen-Darmstadt. Nach dem Wechsel der Landgrafen von Hessen-Kassel zum Calvinismus versuchte Hessen-Darmstadt, gestützt auf die testamentarischen Bestimmungen Ludwigs IV., auch den nördlichen Teil Hessen-Marburgs bzw. Oberhessens in Besitz zu nehmen. Den Höhepunkt der Auseinandersetzungen bildete der „Hessenkrieg“ in der Schlussphase des Dreißigjährigen Krieges. Hessen-Kassel konnte den Besitz des nördlichen Gebietsteils jedoch behaupten.



1815–1945 |



Hessen-Kassel |


Die kurhessische Provinz Oberhessen bestand von 1821 bis zur Annexion durch Preußen 1866. Sie wurde von Kurfürst Wilhelm II. 1821 durch ein Organisations-Edikt gebildet. Provinzhauptstadt und größte Stadt war bis zur Annexion durch Preußen die Universitätsstadt Marburg.


Oberhessen bestand aus den vier Kreisen Frankenberg, Kirchhain, Marburg und Ziegenhain. Neben dieser Provinz gab es im Kurfürstentum noch die drei Provinzen Niederhessen, Fulda und Hanau.


Im Jahre 1848 wurden im Zuge der Märzrevolution die Kreise durch Bezirke ersetzt und somit die Provinzen aufgelöst. Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm wurde am 15. September 1851 diese Reform wieder rückgängig gemacht und die Verwaltungsgliederung von 1821 wieder hergestellt.


Im Königreich Preußen wurde die Provinz Oberhessen dem Regierungsbezirk Kassel innerhalb der Provinz Hessen-Nassau zugeteilt.



Hessen-Darmstadt |




Hessen, 1900. Oberhessen liegt zentral in der Mitte.




Die Provinz Oberhessen innerhalb des Volksstaats Hessen, 1930




Wappen von Oberhessen im Volksstaat Hessen am Schloss Hohhaus


Die Provinz Oberhessen des Großherzogtums und späteren Volksstaates Hessen umfasste zwischen 1815 und 1938 das Gebiet um die Städte Alsfeld, Büdingen, Friedberg, Gießen, Grünberg, Herbstein, Lauterbach (Hessen), Nidda, Ulrichstein und Schotten, bis 1866 auch das Hessische Hinterland, sowie die Exklave Vöhl (die ehemalige Herrschaft Itter) – und damit auch zum guten Teil ehemals nicht landgräflich-hessische Gebiete, wie u. a. die ehemaligen Grafschaften Isenburg-Büdingen und Solms-Laubach. Nach der Annexion der Landgrafschaft Hessen-Kassel durch Preußen 1866 beschränkte sich der Begriff Oberhessen vor allem auf dieses Gebiet des Großherzogtums Hessen(-Darmstadt). Provinzhauptstadt und größte Stadt der ländlich geprägten Provinz war die Universitätsstadt Gießen. Die beiden anderen Provinzen Hessens waren Starkenburg (Hauptstadt: Darmstadt) und Rheinhessen (Hauptstadt: Mainz).


Die Provinzen des Großherzogtums wurden am 31. Juli 1848 abgeschafft und durch Regierungsbezirke ersetzt, was jedoch bereits am 12. Mai 1852 wieder rückgängig gemacht wurde.


Im Deutschen Krieg 1866 stand das Großherzogtum, wie seine Nachbarn Kurhessen, Nassau und Frankfurt, auf der Seite Österreichs und gegen Preußen. Im Gegensatz zu den Nachbarn, die vollständig von Preußen annektiert wurden, musste Hessen nur das sogenannte Hinterland um Biedenkopf sowie das wenige Monate zuvor geerbte Hessen-Homburg an Preußen abtreten.


1871 wurde Hessen Teil des Deutschen Reichs, 1918 machte die Revolution aus dem Großherzogtum eine Republik, den Volksstaat Hessen. Am 1. April 1937 wurden die hessischen Provinzen endgültig abgeschafft. 1945 wurde die Provinz Oberhessen Teil des neuen Landes Groß-Hessen und bildete darin gemeinsam mit der bisherigen Provinz Starkenburg den neuen Regierungsbezirk Darmstadt.



Geographische Lage |


Die Provinz Oberhessen war vom größeren Teil des Großherzogtums Hessen durch die Region um Frankfurt am Main getrennt. Im Norden und Osten grenzte die Provinz an Kurhessen, im Süden an die Freie Stadt Frankfurt, im Südwesten an die Landgrafschaft Hessen-Homburg, im Westen an das Herzogtum Nassau und an den zur preußischen Rheinprovinz gehörenden Kreis Wetzlar. Nach der preußischen Okkupation 1866 war Oberhessen ganz von preußischem Territorium umgeben. Aus den bisher eigenständigen Staaten wurde 1868 die Provinz Hessen-Nassau, darin bildeten Nassau, Frankfurt und Homburg den Regierungsbezirk Wiesbaden, Oberhessens neuen Nachbarn im Süden und Westen, aus Kurhessen wurde der Regierungsbezirk Kassel. Der Kreis Wetzlar wurde 1932 der Provinz Hessen-Nassau zugeteilt, die seitdem Oberhessen komplett umschloss.



Gliederung |


Bis zur Verwaltungsreform von 1821 bestanden folgende Ämter:



  • Amt Alsfeld

  • Amt Lauterbach

  • Amt Ulrichstein

  • Amt Romrod

  • Amt Homberg an der Ohm

  • Amt Grünberg

  • Amt Gießen

  • Amt Allendorf und Londorf

  • Amt Hüttenberg

  • Amt Königsberg

  • Amt Blankenstein

  • Amt Biedenkopf

  • Amt Battenberg


  • Amt Vöhl[2]


Die 1821 in den Landratsbezirken:



  • Battenberg

  • Büdingen

  • Butzbach/Friedberg

  • Gießen

  • Gladenbach

  • Grünberg

  • Herbstein/Lauterbach

  • Hungen

  • Kirtorf

  • Nidda

  • Romrod/Alsfeld

  • Schotten

  • Schlitz

  • Vilbel

  • Vöhl


zusammengefasst wurden.


Die Provinz wurde 1832 zum Zwecke der örtlichen Verwaltung in Kreise eingeteilt:



  • Alsfeld


  • Biedenkopf (1866 an Preußen)


  • Büdingen (seit 1852)

  • Friedberg


  • Gießen (nordwestlicher Kreisteil 1866 an Preußen)


  • Grünberg (bis 1874)


  • Hungen (1841 bis 1848)


  • Lauterbach (seit 1852)


  • Nidda (bis 1874)


  • Schotten (seit 1852)


  • Vilbel (1852–1874)


Am 31. Juli 1848 wurden im Großherzogtum die Provinzen und Kreise abgeschafft und durch Regierungsbezirke ersetzt. Auf dem Gebiet Oberhessens waren dies:



  • Regierungsbezirk Alsfeld

  • Regierungsbezirk Biedenkopf

  • Regierungsbezirk Friedberg

  • Regierungsbezirk Gießen

  • Regierungsbezirk Nidda


Am 12. Mai 1852 wurden Provinz und Landkreise wiederhergestellt. Dabei wurden vier neue Landkreise geschaffen. Zum 1. Juli 1874 wurden drei Kreise aufgelöst und ihre Gemeinden benachbarten Kreisen zugeordnet.


Als Vertretungskörperschaft auf Provinzebene wurde ein Provinzialtag eingerichtet.



Provinzialdirektoren |



  • 1866–1870: Theodor Goldmann

  • 1870–1871: Julius Rinck von Starck

  • 1871–1877: Franz Ludwig Emil Roeder von Diersburg

  • 1877–1888: Karl Boekmann

  • 1898–1899: Hermann von Bechtold



Weblinks |




  • Literatur über Oberhessen in der Hessischen Bibliographie


  • Internetpräsenz der heutigen „Region Oberhessen“ – gemäß ELER-Förderprogramm der östliche Teil des Wetteraukreises

  • Erwin Knauß: Oberhessen – Landschaft oder Provinz?. Oberhessischer Geschichtsverein Gießen e. V.



Einzelnachweise |




  1. Oberhessen im Wanderatlas Deutschland


  2. Johann Ernst Christian Schmidt: Geschichte des Grossherzogthums Hessen, Band 1, 1818, S. 202 ff., online


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