Diminutiv




Das Diminutiv (auch Deminutiv, Diminutivum, Deminutivum von lateinisch deminuere „verringern, vermindern“, vgl. minus) ist die grammatische Verkleinerungsform eines Substantivs. Gegenteil ist das Augmentativ. Diminutive dienen der Verniedlichung, z. B. als Koseform und zur Bildung von Kosenamen (Hypokoristikum), oder auch der Abwertung („Das ist kein Haus, das ist ein Häuschen!“).




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Kennzeichen und Herkunft


  • 2 Regeln


  • 3 Artikel


  • 4 Verwendung


  • 5 Beispiele


  • 6 Verselbstständigte Diminutive


  • 7 Koseformen bei Vornamen


  • 8 Diminutive in anderen Sprachen


    • 8.1 Neugriechisch


    • 8.2 Romanische Sprachen


      • 8.2.1 Französisch


      • 8.2.2 Italienisch


      • 8.2.3 Portugiesisch


      • 8.2.4 Spanisch




    • 8.3 Litauisch


    • 8.4 Slawische Sprachen


    • 8.5 Skandinavische Sprachen




  • 9 Siehe auch


  • 10 Literatur


  • 11 Weblinks


  • 12 Einzelnachweise





Kennzeichen und Herkunft |


Das Diminutiv gehört als Verkleinerungsform zu den Mitteln der morphologischen Wortbildung. Diminutivformen werden in der Regel durch Kürzung, Silbenverdoppelung oder Anfügen einer Vor- oder Nachsilbe (Affix, Präfix oder Suffix) gebildet. Die Häufigkeit des Gebrauchs von Diminutiven unterscheidet sich je nach Sprache und Dialekt.


Im Deutschen ist das Diminutiv gekennzeichnet durch die Endsilben -chen sowie -lein. Die Endsilbe -chen ist aus mitteldeutschen Dialekten entnommen, während sich -lein vom mittelhochdeutschen -lîn herleiten lässt und in den oberdeutschen Diminutivsuffixen -la, -le, -li, -l, -erl eine Entsprechung findet. Wahrscheinlich war das -l- bzw. -ll- ursprünglich eine reine Adjektivierung, die dann zur Diminution wurde.


Im Deutschen gibt es zudem bei Vornamen eine Diminutivendung auf „i“ (Hansi, Berti, Karli); siehe auch Abschnitt „Koseformen bei Vornamen“. Die Endung „-i“ wird auch zur Bildung von Spitznamen aus Familiennamen verwendet.


Reduplikationen finden sich auch im Deutschen vor allem für Koseformen („Papa“, „Dodo“ für „Doris“ etwa).



Regeln |


Die Bildung des Diminutivs ist im Deutschen oft mit der Änderung des Vokals der Stammsilbe zum entsprechenden Umlaut („Sack“ – „Säcklein“) und Aussparung eines unbetonten letzten Vokals („Hose“ – „Höschen“) verbunden – aber „Paulchen“ statt „Päulchen“; „Blondchen“ statt „Blöndchen“. Der zu einem doppelt geschriebenen Vokalen gebildete Umlaut wird nur einfach geschrieben (z. B. „Boot“ – „Bötchen“).


Merkspruch: -chen und -lein machen alle Dinge klein.


Im bairischen Dialektraum, speziell in Österreich, wird das Diminutiv bevorzugt mit -erl gebildet: z. B. Sackerl, Hunderl, Hoserl, Stüberl. Von „Euzerl“ (Stückchen) gibt es nur das österreichische Diminutiv.


Im alemannischen Dialektraum wird das Diminutiv mit -li gebildet: z. B. Platz – Plätzli.


Im schwäbischen Dialektraum wird das Diminutiv mit den Endungen -le Singular bzw. -la Plural gebildet, z. B. Stüble, Heisle und Heisla.



Artikel |


Im Deutschen sind Diminutive stets sächlich (Genus: Neutrum), weshalb die Diminuierung männlicher oder weiblicher Substantive – bei Lebewesen ungeachtet ihres natürlichen Geschlechts – eine Änderung des Genus mit sich bringt. Somit ist das „Mädchen“ (= Mägdchen, Diminutiv von Magd)[1][2] grammatikalisch sächlich, auch wenn dies in der Umgangssprache bisweilen Verwirrung stiftet.



Verwendung |




Straßenschild in Freiberg am Neckar


Verwendung des Diminutivs im Deutschen:



  • für kleine oder junge Menschen

  • zur Kennzeichnung kleiner Gegenstände innerhalb einer Klasse von Gegenständen

  • zur Kennzeichnung kleiner oder junger Tiere oder Pflanzen

  • als Koseform

  • als Verniedlichungsform, besonders von Substantiven oder Eigennamen in an Kinder oder geliebte Personen gerichteter Sprache

  • als Wertung: Minderung des Ansehens einer Person oder des Wertes eines Gegenstandes als Pejorativum bzw. Dysphemismus

  • als Untertreibung („wir haben ein Problemchen“)


Besonders häufig ist die Benutzung von Diminutiven im Ostfränkischen, in den alemannischen Dialekten (Schwäbisch, Niederalemannisch, Hochalemannisch und Höchstalemannisch) sowie im fast ausgestorbenen Niederpreußischen. Das ostfriesische Platt verwendet die Diminutiv-Endung -je bzw. -tje („Kluntje“, „Antje“ = kleine Anna), kennt aber auch das Suffix -ke („Happke“ = Häppchen). Weniger ausgeprägt erfolgt es im Nordniedersächsischen, speziell im Hamburger Platt. Dort wird der Verkleinerungsumstand in der Regel durch ein vorangestelltes Adjektiv ausgedrückt (lütte Deern). Dies korrespondiert mit dem weitestgehenden Fehlen von Diminutiven im angelsächsischen und vor allem skandinavischen Sprachraum. Das norddeutsche Diminutiv auf -ing („Kinnings“ für „Kinder“; „Louising“ für „Louise“) ist kaum noch verbreitet. Ebenfalls selten verbreitet ist ein aktiv neugebildetes Diminutiv „-l“ oder „-el“ im Ostmitteldeutschen. Es findet sich meist nur in feststehenden Ausdrücken wie Rostbrätel, lebt allerdings in einer Reihe von Nach- oder Eigennamen (z. B. Hänsel und Gretel) im gesamten deutschen Sprachraum fort.


In der süddeutschen Umgangssprache findet das Suffix „-erl“ eine Verwendung, etwa „Dacherl“ zu „Dach“, wie auch unregelmäßige Formen, etwa „Burli“ und „Büberle“ zu „Bub“. Solche Diminutiva sind laut Nelson Cartagena und Hans-Martin Gauger ein Kennzeichen der gesprochenen Sprache insbesondere bei niederen sozialen Schichten.


Diminutive haben häufig eine verniedlichende Funktion, was auch satirisch genutzt wird.



Beispiele |



  • Diminutiv von „der Baum“ ist „das Bäumchen“ oder „das Bäumlein“, in der Schweiz „Böimli“.

  • Diminutiv von „Hans“ ist „Hänschen“ oder „Hansi“, selten „Hänsel“, in der Schweiz „Hansli“.

  • Diminutiv von „der Mann“ ist „das Männchen“ oder „das Männlein“, selten „das Männel“, in der Schweiz „Männ(d)li“, in Tirol auch „Mandl“.

  • Diminutiv von „die Rippe“ ist „das Rippchen“, selten „das Ripple(in)“, im Baierischen oft „das Ripperl“, in der Schweiz „Rippli“.




Verselbstständigte Diminutive |


Bestimmte Worte sind formal Diminutive, werden jedoch als eigenständiger Begriff und nicht (mehr) als Verkleinerungsform des Ursprungsbegriffes verwendet. Beispiele:



  • ein bisschen


  • Mädchen, abgeleitet von mittelhochdeutsch maget „Jungfrau“ (vergleiche Maid), eine „kleine Magd, Maid“[3]


  • Männchen, Weibchen, allgemeine Bezeichnung für männliche bzw. weibliche Tiere; für „kleiner Mann“ eher „Männlein“


  • Fräulein, früher Bezeichnung und Anredeform für unverheiratete Frauen; für kleine Frau eher Frauchen (Koseform, ohne Umlaut)


  • Herrchen und Frauchen (Hundehalter/-in)


  • Wehwehchen, Zipperlein (kleines, unbedeutendes Leiden)

  • Ohrläppchen

  • Brötchen


  • Fischstäbchen und Essstäbchen

  • Eichhörnchen


  • Kaninchen (lat. cuniculus), die Hauptform „Kanin“ wird nur fachsprachlich verwendet

  • Meerschweinchen

  • Erdmännchen

  • Seepferdchen

  • Rotkehlchen

  • Silberfischchen


  • Märchen, abgeleitet von „Mär“


  • Radieschen (lat. radix), abgeleitet von „Radies“, vgl. Rettich/Radi

  • Stiefmütterchen

  • Schneeglöckchen, Maiglöckchen


  • Kätzchen, Blütenstand mancher Bäume oder Sträucher, z. B. Weidenkätzchen


  • Sankt Nimmerlein, umgs., Tag, der niemals eintreten wird


Andere Wörter wirken nur wie Diminutive, sind aber gar nicht von dem scheinbaren Stamm abgeleitet.




  • Plätzchen, möglicherweise von lat. placenta = Kuchen oder lat. placere = gefallen


  • Veilchen (lat. viola), Pflanzenart



Koseformen bei Vornamen |




Diminutive in anderen Sprachen |



Neugriechisch |


In der griechischen Sprache dienen der Diminuierung eine Vielzahl verschiedener Verkleinerungssuffixe. Zu den gebräuchlichsten zählen:




  • Maskulina: -άκης [-ákis], -άκος [-ákos], -ούλης [-oúlis]
    Beispiel: der Vater (ο πατέρας [o patéras]) → das Väterchen (το πατερούλης [o pateroúlis])


  • Feminina: -ούλα [-oúla], -ούδα [-oúda], -οπούλα [-opoúla], -ίτσα [-ítsa]
    Beispiel: das Bier* (η μπίρα [i bíra]) → das Bierchen (η μπιρίτσα [i birítsa]) [* das Genus im Griechischen ist feminin]


  • Neutra: -άκι [-áki], -ούλι [-oúli], -ούδι [-oúdi], -ουδάκι [-oudáki], -οπούλο [-opoúlo]
    Beispiel: das Haus (το σπίτι [to spíti]) → das Häuschen (το σπιτάκι [to spitáki])


„Die Bedeutung der griechischen Diminutiva geht aber über die Verkleinerung hinaus, denn sie werden sehr oft verwendet, um eine zärtliche Bemerkung, eine höfliche Bitte, eine approximative Berechnung, manchmal auch eine negative [verharmlosende] Beurteilung auszudrücken“ (Pavlos Tzermias, Neugriechische Grammatik, A. Francke Verlag, Bern 1967.).


Das Griechische kennt nicht nur Diminutiva, sondern auch Vergrößerungsformen (Augmentativa), die manchmal sehr plastisch sind.



Romanische Sprachen |



Französisch |


Im Quebecer Französisch werden Diminutivformen durch Präfigierung oder Silbenverdopplung gebildet, beispielsweise ti-chat „Kätzchen“, ti-gars „Jüngelchen“, Ti-(L)ouise „Louise“, Ti-Mi „Michelle“, Dédé „André“, Didi „Diane“, Dodo „Dominique“. Ähnliche Formen gibt es auch in den französischen Kreolsprachen (namentlich Haitianisch) und verschiedenen westafrikanischen Sprachen.



Italienisch |


Diminutive sind im Italienischen sehr gebräuchlich, besonders als Kosenamen und liebevoll, aber auch scherzhaft oder ironisch. Die typischen Endungen lauten -ina und -ino, oder -etta und -etto; und zuweilen auch -ella und -ello.


Beispiele: Annina statt Anna, Raffaellino statt Raffaello, Giuseppino statt Giuseppe, Nicolino statt Nicola oder Niccolò, Nicoletta statt Nicola, Giulietta (Giulietto) statt Giulia (Giulio), Antonino oder Antonello statt Antonio.


Seltener sind die Endungen -accio oder die -uccio: z. B. Antonaccio statt Antonio, Matteuccio statt Matteo.


Verselbständigte Bildungen sind:



  • Spaghettini (besonders feine, dünne Spaghetti),

  • violoncello (kleine Violone, Vorläufer des Kontrabasses),

  • piazzetta (kleiner Platz) statt piazza,

  • pastorella statt pastora (Hirtin).



Portugiesisch |


In der Portugiesischen Sprache sind Diminutive ausgesprochen verbreitet, sehr oft verniedlichend, scherzhaft oder ironisch, oder als Steigerung.


Die typische Diminutivendung lautet im masculinum: -inho (sprich: -iɲu), -sinho, -zinho; und im femininum: -inha (sprich: -iɲɐ), -sinha, -zinha.


Beispiele: bola (Ball) – bolinha, bolo (Kuchen) – bolinho, pomba (Taube) – pombinha, peixe (Fisch) – peixinho, melão (Melone) – melãosinho.


Daneben existiert auch -ito (sprich: -itu) oder -ita (sprich: -itɐ), das etwas kecker oder frecher klingt als -inho/-inha, und teilweise alternativ verwendet werden kann, z. B.:


bébé (Baby) – bébésinho/bébésinha oder bébésito/bébésita.


Diminutive werden auch bei Adjektiven oder Adverbien benutzt, dies ist nur schwer ins Deutsche zu übersetzen, z. B. pequeno (klein) – pequeninho oder pequenito, bom (gut) – bomzinho, devagar (langsam) – devagarinho.


Verselbständigte Wortbildungen sind: um bocadinho (ein kleines bisschen; aber auch: bocado), oder carregadinho (von carregar – tragen: uma árvore carregadinha de fruta – ein Baum voller Früchte).



Spanisch |


Ist grundsätzlich ähnlich wie im Portugiesischen oder Italienischen, doch tendenziell nicht so beliebt wie im Portugiesischen. Endung: -ita oder ito, z. B. Manuel/Manolo – Manolito, Manuela/Manola – Manolita; José – Joselito; flor (Blume) – florita; muchacha / -o (Mädchen /Junge) – muchachita /-o.


Zuweilen auch -illo, illa, z. B. Angelillo statt Angelo.



Litauisch |


In der Litauischen Sprache gibt es Diminutive bei mehreren Vornamen (Laimutė, Sigutė, Birutė etc.).



Slawische Sprachen |


In den slawischen Sprachen werden häufig zwei sich steigernde Formen des Diminutivs verwendet, z. B. im Tschechischen: strom „Baum“ → stromek „Bäumchen“ → stromeček „kleines Bäumchen“.


Im Russischen ist die typische Endung des Diminutivs ein -a oft erweitert -ka -ja -schka wie z. B. bei Baba (Alte Frau, Großmutter) die zur Babuschka (Großmütterchen, Oma) wird.



Skandinavische Sprachen |


In den skandinavischen Sprachen sind Diminutiva in der Regel nicht gebräuchlich, bzw. gar nicht bekannt (so zum Beispiel im Dänischen). Unterscheidungen zwischen den Verniedlichungsformen und den entsprechenden Augmentativa werden durch das Voranstellen der Wörter „klein“ bzw. „groß“ verdeutlicht.



Siehe auch |


  • Flektierende Sprache


Literatur |




  • Franz Januschek: Über Fritz und andere Auslaufmodelle. Ein Beitrag zur Lingologie. In: Elisabeth Berner, Manuela Böhm, Anja Voeste (Hrsg.): Ein gross vnnd narhafft haffen. Festschrift für Joachim Gessinger. Universitäts-Verlag, Potsdam 2005, ISBN 3-937786-35-X, S. 221–231, Volltext (Über Koseformen von Vornamen).


  • Maria Schiller: Pragmatik der Diminutiva, Kosenamen und Kosewörter in der modernen russischen Umgangsliteratursprache (= Sprach- und Literaturwissenschaften. Bd. 22). Herbert-Utz-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-8316-0683-2 (Zugleich: München, Universität, Dissertation, 2006).


  • Alexander Behrens: Russische Vornamen im Alltag. Zur morphematischen Struktur und pragmatischen Funktion russischer Vornamenableitungen. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-639-01144-9.


  • Henri Wittmann, Heinz Fischer: Die Verteilung des diminutivierenden /še/ und /jə/ im Mittelfränkischen (Aschaffenburg, Neuwied). In: Études germaniques. Bd. 14, 1964, S. 165–167, Digitalisat (PDF; 203 KB).



Weblinks |



 Wiktionary: Diminutiv – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


Einzelnachweise |




  1. Duden.de: Mädchen


  2. DWDS: Mädchen


  3. Mädchen, das. In: DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 18. Februar 2019. 









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