Berliner Dialekt














Berlinisch

Gesprochen in



Berlin, Brandenburg
Linguistische
Klassifikation


  • Indoeuropäisch

    Germanisch

    Westgermanisch


    Hochdeutsch

    Mitteldeutsch
    Ostmitteldeutsch



    Berlinisch






Der Berliner Dialekt (auch als Berliner Mundart, Berlinisch oder Berlinerisch bezeichnet) ist die Mundart, die im Großraum Berlin-Brandenburg gesprochen wird. Im Zusammenhang mit einem oft derben, aber herzlichen Humor wird diese Ausdrucksweise auch als „Schnauze mit Herz“ bezeichnet. Beim Berlinerischen handelt es sich sprachwissenschaftlich nicht um einen Dialekt, sondern um einen (selten anzutreffenden) „Metrolekt“, eine in großstädtischen Zentren aus einer Mischung vieler unterschiedlicher Mundarten entstehende Stadtsprache. Die Entwicklung des Berlinerischen hat die Sprache des umliegenden Landes Brandenburg beeinflusst und das regionale, ursprünglich in der Mark Brandenburg gesprochene Niederdeutsch verdrängt. Die stärkste Ausprägung hat diese „neue“ Sprache in den städtischen Bereichen Berlins erfahren. So existieren in Berlin bislang Wörter und Spitznamen, die noch nicht in die Sprache des Umlands gefunden haben. Zur Aussprache und üblichen Schreibweisen siehe Berlinische Grammatik.





Heinrich Zille: Konsum-Genossenschaft, 1924
Bildtext: „Frida – wenn Deine Mutter ooch in’s ‚Konsum‘ koofte wärste schon lange een kräftiges Kind – sag’s ihr!“




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Geschichte


    • 1.1 Einflüsse


    • 1.2 Mundart


    • 1.3 Gegenwart




  • 2 Sprachelemente


    • 2.1 Grammatik


    • 2.2 Das Berliner Er/Wir




  • 3 Redewendungen


  • 4 Spitznamen


  • 5 Weitere Textbelege


    • 5.1 Aussprachebeispiele


    • 5.2 Textbeispiele


    • 5.3 Sprechbeispiele




  • 6 Literatur


  • 7 Weblinks


  • 8 Einzelnachweise





Geschichte |


Die Millionenstadt Berlin liegt im Bereich der Benrather Linie, stand also seit ihrer urkundlichen Ersterwähnung 1237 unter den Einflüssen des Niederdeutschen und des Mitteldeutschen. Mit der ab 1300 einsetzenden und sich ab etwa 1500 verstärkenden Zuwanderung u. a. aus den flämischen Gebieten des Heiligen Römischen Reichs, lassen sich zunehmend Veränderungen des in Berlin gesprochenen Ostniederdeutschen nachweisen bis hin zu seiner weitgehenden Aufgabe als Umgangssprache. So entstand ein eigener Metrolekt des Standardhochdeutschen mit klarer mitteldeutscher Basis, aber starkem niederdeutschen Substrat. Erst in jüngster Zeit griff dieser neue Dialekt auf das Umland über, das bis dahin ostniederdeutsch geblieben war. Das Berlinerische weist in einigen Eigenarten Parallelen zum Kölnischen („Kölsch“) auf, das ebenfalls starke Züge eines Metrolekts trägt und über Jahrhunderte durch Zuwanderung geprägt wurde (z. B. die charakteristische Anlautverweichung, beispielsweise jut, jehen).


Bis ins 18. Jahrhundert hinein war die allgemeine Umgangssprache ein märkischer Dialekt, der im späten 18. Jahrhundert durch eine mitteldeutsche Ausgleichsmundart auf obersächsischer Basis verdrängt wurde. Sie ähnelt Entwicklungen in anderen niederdeutschen Regionen, die Missingsch-Dialekte zuerst als Mischsprache mit der Kanzleisprache entwickelten und sich im Gebrauch als Umgangssprache wandelten. Die neu entstandene Ausgleichsmundart, die dem heutigen Berlinischen sehr ähnlich war, übernahm aus den angrenzenden niederdeutsch sprechenden Gebieten einzelne Wörter (ick, det, wat, doof).


Während Berlin seit 1871 einem immer stärkeren Zuzug vor allem aus Sachsen und Schlesien ausgesetzt war, die die niederdeutschen Sprachelemente zurückdrängten, kam es nach 1945, und nochmals nach 1961 zu großen Abwanderungswellen nach Westdeutschland. Da Berlin in der jetzigen Form erst 1920 entstand, gilt als Kerngebiet des Berlinischen die Fläche der heutigen Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Dazu kommen die Gebiete von Charlottenburg und Prenzlauer Berg innerhalb der Ringbahn der S-Bahn. Hier befanden sich jene Stadtteile, die besonders den genannten Einflüssen ausgesetzt waren. Die äußeren Ortsteile waren über Jahrhunderte Teil von Brandenburg, ohne intensiven Kontakt zum Berlinischen.


So wird angenommen, dass in Berlin als wichtiger Handels- und Verwaltungsmetropole schon früh ein erhöhter Druck zur Verwendung des Hochdeutschen bestand, das als Superstrat auch auf die Umgangssprache der Bediensteten, Arbeiter und Mägde übergriff. Durch die immer größer werdende Bedeutung Berlins als preußische Metropole strahlte die Berlinische Stadtmundart bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in das Berliner Umland aus, wobei sie zunächst als Verkehrssprache neben den angestammten Dialekten bestand, diese aber schließlich ganz verdrängte. Dieser Dialektwechsel dauert bislang an, und der Druck zum Hochdeutschen hat sich in der jüngeren Vergangenheit durch den wiedererlangten Status Berlins als gesamtdeutsche Hauptstadt wieder erhöht.


Zwischen 1949 und 1989 verließen eine Million Berliner die Stadt. Gleichzeitig kam es in Ost- wie West-Berlin zu bedeutenden Zuzügen aus dem süd-, ost- und westdeutschen Raum (Sachsen, Baden-Württemberg, NRW). Dazu kam die Aufnahme von Einwanderern aus der Türkei, Jugoslawien, Italien und dem Libanon. Dies führte zu einer starken Verdrängung des Berlinerns aus dem Alltag. Viele Neuberliner nahmen zwar Teile des Dialekts an, die Verwendung des Dialekts wurde – ebenso wie bei Dialekten in anderen Regionen Deutschlands – zunehmend als „unfein“, „proletarisch“ oder „ungebildet“ betrachtet. So liegen die Zentren des Dialekts vor allem in den Stadtrandgebieten wie Spandau, Reinickendorf, Lichtenrade, Alt-Mariendorf und in Ostbezirken, wo das Berlinern zu DDR-Zeiten weniger verpönt war als im Westen. Andererseits ist der Anteil Auswärtiger in der Stadtmitte hoch und innerhalb des S-Bahnrings sind wenig gebürtige Berliner anzutreffen, so wird Dialekt kaum gesprochen.


Unverändert wird die Sprache in Berlin von Zuwandererwellen geprägt und bleibt dementsprechend unbeständig. Die (Anfang der 1990er Jahre) zugewanderten Russlanddeutschen haben einen eigenen Dialekt entwickelt, der nur langsam ins Berlinische übergeht. Im Schnitt ist nur ein Viertel der Berliner in Berlin geboren („waschechte“ Berliner) und konnte somit den einheimischen Dialekt bereits im Kindesalter erlernen. Durch die Verbreitung im Funk und Fernsehen wurde der Berliner Dialekt dennoch in allen Teilen Deutschlands seit Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt. Dabei fand er häufig Gefallen von Nicht-Berlinern, die bestimmte – an West-Berlin orientierte – Grundregeln als „Standard der Berliner Mundart“ verbreiteten. Dadurch wurden allerdings die historischen Varianten verwischt, sodass fälschlich kolportiert wird, der Berliner Dialekt würde in den lautlich eng verwandten Sprachgebieten des nördlichen Brandenburg und Sachsen-Anhalt ebenso gesprochen wie in Berlin („berlinern“). Ungeachtet dessen bestehen verwandtschaftliche Beziehungen, auch zum Neu-Altmärkischen im Norden Sachsen-Anhalts.


Gleichzeitig weitete sich, vor allem seit der Reichsgründung 1871, der Einfluss des Berlinischen auf das Umland, das bis dahin ostniederdeutsch geblieben war, aus. Die lausitzisch-neumärkischen Dialekte haben sich so klar aus dem ostniederdeutschen Mark-brandenburgisch entwickelt, werden gegenwärtig jedoch oft dem ostmitteldeutschen zugeordnet, dem sie durch die Überformung näher stehen. Während der Datenerhebung für den Deutschen Sprachatlas (1880er Jahre) wurden in zahlreichen Orten, die zum Stadtgebiet Berlins gehören, niederdeutsche Mundarten oder niederdeutsch-berlinische Mischmundarten gesprochen.


Berlin hat Anteil an vielen im gesamten ostmitteldeutschen Sprachraum verbreiteten sprachlichen Eigenheiten. Viele Besucher halten diese Eigenheiten – eigentlich zu Unrecht – für „typisch berlinisch“. Als Beispiel kann die oft missverstandene Uhrzeitangabe „dreiviertel Fünf“ für 16:45 Uhr bzw. „viertel Fünf“ für 16:15 Uhr dienen, die tatsächlich in weiten Teilen Ost- und Süddeutschlands sowie Österreichs gebräuchlich ist.[1]





„Mode is et heute, det die meisten Leute schimpfen uff det ‚Babale an der Spree‘. Dieset Wutjekeife, det ich nich bejreife, duht mir in de tiefste Seele weh. Hat ooch seine Reize – wat ick ohne Neid seh – München, Frangfurt, ‚Dräsen‘ und Polzin: det war wirklich klassig, wat patent un rassig, Mensch! det jiebt et doch bloß in Berlin!“




Walter Mehring, um 1900[2]





„Georg Hermann sagt einmal sehr fein und richtig, das Berlinische liegt nicht in den Worten, nicht im Reichtum von Bildern, auch nicht im ‚ick‘ und ‚det‘. Es bestehe in der Denkweise und im Ton, in der Melodik oder Unmelodik, mit der so ein Satz hingelegt wird. Man könne, wenn man Ohr hat, heraushören, aus welcher Stadtgegend der Sprecher stamme […] Dann gibt’s noch den unrichtigen Berliner. Das ist der, der am meisten berlinisch spricht, in andern Orten alles abscheulich findet, mäkelt und stänkert und der in Wirklichkeit gar nicht aus Berlin stammt. Also Achtung vor dem unrichtigen Berliner!




Hans Ostwald: Der Urberliner. Neue Folge.[3]



Einflüsse |


Lange Zeit wurde das Berlinische (oder Berlinerische, wie der Berliner sagt) als Verballhornung des Hochdeutschen betrachtet. Diese Sicht ergab sich gerade durch den allgegenwärtigen Sprachwitz der Berliner, der gern mit Verschiebungen aufgeschnappter Begriffe arbeitet. Als Zentrum Brandenburgs, Preußens, des Deutschen Reiches, der DDR (Ost-Berlin) und als Bundeshauptstadt Deutschlands war Berlin immer Zentrum von Handel, Verkehr, Emigration und Zuwanderung. Für die Sprache waren verschiedene Einflüsse wichtig.


Berlinisch hat durch den Zuzug vieler Bevölkerungsgruppen eine Reihe von Worten und Redewendungen aufgenommen, die sowohl Dialekten und Umgangssprachen Zugewanderter entstammen und nicht im deutschen Sprachraum geläufig sind. Durch die starke sprachliche Verschleifung ist die Herkunft oft kaum zu erkennen. Eine Reihe von Wörtern entstammen dem Rotwelschen.




  • Flämisch wirkte durch die im 12. und 13. Jahrhundert angesiedelten Flamen, vor allem auf dem Lande („Fläming“), deren Nachkommen zum Teil in die Stadt zogen. Es wurden die Fernhandelskaufleute aus Flandern, die zur Gründung der Stadt beitrugen, zum Teil ansässig.

  • Das Französische wirkte durch die Hugenotten und die Napoleonische Besetzung. Der preußische Königshof nutzte es ohnehin, wie fast alle Adligen vor allem des 18. Jahrhunderts, als Umgangssprache im Streben, Versailles zu kopieren; hierzu trug Voltaire durch seine enge Beziehung zu Friedrich II. bei.

  • Der hebräische Einfluss durch Juden als Flüchtlinge im 16. und 17. Jahrhundert, besonders aber das Jiddische durch den Zuzug von osteuropäischen Juden im 19. und 20. Jahrhundert (Bevölkerungspolitik).

  • Das Polabische, das bis in das späte Mittelalter im Raum Berlin-Brandenburg gesprochen wurde, aber auch das Wendische im Berliner Einzugsgebiet waren die anfänglichen Einflüsse der Slawischen Sprachen. Im Weiteren beeinflusste das Polnische aus Schlesien und das Tschechische aus Böhmen durch Ansiedlung seit dem 15. Jahrhundert. Die Ansiedlung von russischen Einwanderer etwa nach der Oktoberrevolution, später den Spätaussiedlern brachte Einflüsse aus dem Russischen im 19. und 20. Jahrhundert hinzu.


Viele der typischen Berliner Ausdrücke lassen so den Rückschluss auf ihren Ursprung zu. So soll die Redensart „Det zieht wie Hechtsuppe“ auf das jüdische ‚hech supha‘ (Sturmwind) zurückgreifen. „Mir is janz blümerant“ soll von französisch ‚bleu mourant‘ („blassblau“; „sterbend blau“) stammen.


Als Berlinisch wird oft fälschlicherweise der Ausspruch „Mach keene Fisimatenten“ genannt, das angeblich die Berliner aus ‚visitez ma tente‘ (französisch‚Besuchen Sie mein Zelt‘) entwickelt haben sollen. Dieser Ausdruck ist ebenso in anderen, durch französischen kulturellen Einfluss und militärische Besatzung geprägten Regionen verbreitet, so etwa in der Pfalz und im Rheinland. Der Überlieferung nach riefen dies französische Soldaten während der Zeit der französischen Besetzung der Stadt unter Napoleon den jungen Berliner Mädchen hinterher. Bei den Müttern der Mädchen führte das zu der ernsten Ermahnung, keine „Fisimatenten“ zu machen. Andere Erklärungen reichen auf ältere Ursprünge zurück.[4]


Die berühmte Berliner Bulette ist eine Eindeutschung der französischen „Boulette“, des (Fleisch)-Bällchens.



Mundart |


Durch die allgemein weitgehende Verwendung von Begriffen des Hochdeutschen gab es bisher keine Notwendigkeit für einen schriftlichen Gebrauch und das Berlinische bleibt eine Mundart. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass Berlinisch innerhalb der Region lange Zeit als Dialekt der einfachen Leute verpönt war. Die Bildungsschicht bemühte sich stets distanzierend um einwandfreies Hochdeutsch. Der Wortschatz des Berlinischen ist im Brandenburg-Berlinischen Wörterbuch erfasst und beschrieben.


Bei der schriftlichen Fixierung des Berlinischen herrscht Unsicherheit, da jeder Sprecher die Lautung verschieden stark einsetzt und je nach Gelegenheit stärkere hochdeutsche oder stärker „berlinernde“ Lautung verwendet. Einen Konsens zur schriftlichen Fixierung gibt es nicht. In Büchern wählt jeder Verleger eine eigene Variante. Die überwiegende Zahl der Publikationen mit eingebetteten berlinischen Texten verwendet eine hochdeutsche Rechtschreibung, bei der Buchstaben, Buchstabengruppen oder ganze Worte ersetzt werden, wenn sie in der Mundart stark von der üblichen Aussprache des Hochdeutschen abweichen. Dies ermöglicht gewöhnlich jedem Deutschsprechenden, nach kurzer Eingewöhnungszeit zum Erlernen der Ersetzungen, die Berlinischen Texte zu verstehen. Erschwert wird dadurch die Suche nach Belegen.



Gegenwart |




„Kiek ma, frische Beeren inna Stadt!“ – Werbung auf Berlinisch auf der IFA 2011


Das Berlinische ist das zentrale Idiom eines Regiolektgebiets, das sich über Berlin, Brandenburg und Teile Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsen-Anhalts erstreckt. Im Brandenburgischen Umland gilt Berlinisch seit dem 20. Jahrhundert als selbstverständlicher, umgangssprachlicher Standard. Doch in der Stadt selbst, vor allem in West-Berlin, entstanden durch Zuzug und bildungsbürgerliche Dialektflucht Entwicklungstendenzen des Berlinischen zu einem Soziolekt.


Die lausitzisch-neumärkischen Dialekte zeichnen sich durch eine fast hochdeutsche Aussprache mit einigen Synkopen und Apokopen aus, die aber in den meisten deutschen Mundarten gleich sind. Dennoch bleibt Berlinisch vor allem wegen der starken Zusammenziehungstendenzen über mehrere Wörter und der Anpassung selbst von Fremdwörtern und Anglizismen dem oberdeutschen Sprecher gewöhnungsbedürftig. Besonders zu erwähnen dabei ist das „wah?“, das so viel bedeutet wie ‚nicht wahr?‘. Bis auf den Südosten (Neulausitzisch und Niederlausitzer Mundart) des Verbreitungsgebietes wird überall meist das g zu j, also ‚jut‘ statt ‚gut‘.


Gelegentlich findet sich das Berlinische in der Werbung wieder, um ein Lokalkolorit zu unterstreichen.



Sprachelemente |



Grammatik |



Die Grammatik und dazugehörende Syntax weichen zum Teil deutlich von der Hochsprache ab, in Brandenburg oft stärker als in Berlin. Adverbien und Adjektive können problemlos wechselweise gebraucht werden. Für ‚geschlossene Tür‘: ‚ne zue Tür‘ oder ‚komm oben‘ was ‚komm herauf‘ bedeutet. Die Konjunktionen erscheinen in alter Form, also ‚als wie‘ statt ‚wie‘, ‚denn‘ statt ‚dann‘ und ‚wenn‘ statt ‚wann‘, ‚wie‘ = ‚als‘, ‚worum‘ statt ‚warum‘. Der Akkusativ und Dativ werden kaum unterschieden. Im Akkudativ nutzt der Berliner sowohl für ‚mir‘ als auch für ‚mich‘ den Universalausdruck ‚mir‘. „Der Berlina sacht imma mir, ooch wenn et richtich is“ (Volksmund).[2][5] Allerdings findet sich schon 50 Kilometer südlich der Südbrandenburger ‚Michel‘, der prinzipiell den Akkusativ benutzt: „Bring mich mal die Zeitung“.


Sehr typisch ist die erzählende Vergangenheit im Futur: „Wehr ick doch heute morjen uff’m Weech ßum Beckah den Schulze treffen. Wird mir doch diese olle Nappsülze […]“ (statt „Habe ich … getroffen“ steht hier „Werd ich doch … treffen“, statt „Hat mir“ steht „Wird er mir“).


Auch Genitiv-Formen werden besonders in Brandenburg durch präpositionale Akkusativ-Formen ersetzt, zum Teil noch mit eingefügtem Pronomen: dem sein Haus. Die Pluralformen gehen oft auf zusätzliches -s: „Jibb mir ma die Schrippens“.
„Mensch Vaddern, kiek ma, so ville Kahns uff de Spree!“ – „Dummet Jöhr, dit sin keene Kahns sondern Keene!“ (Gespräch zwischen einem Vater und seinem kleinen Sohn auf der Brücke).[2]


Verkleinerungsformen enden auf -ken oder -sken.


Dazu gibt es den Pluralis berolinensis, also eine Mehrzahlbildung auf -er, wo sie im Standarddeutschen nicht gebraucht wird. So spricht der Berliner von Klötzer und Stöcker. Aus dem Schwank Im Delikatessen-Keller: Pannemann: „Kellner!“ – Kellner: „Befehlen?“ – Pannemann: „Wo sind meine vier Beffastücker?“[2]


Bei anderen Gelegenheiten wird eine niederdeutsche Grundlage gesehen; die oft gerügte mangelnde Unterscheidung von Akkusativ und Dativ entspricht dem Brandenburger Niederdeutschen, wo die Pronomen für mir/dir und mich/dich für beide Fälle gleich lauten, nämlich mi/di oder mai/dai.


Ein Beispiel für diese berlinerische Grammatik ist der Alt-Berliner Spruch „Icke, dette, kieke mal, Oogn, Fleesch und Beene, wenn de mir nich lieben tust, lieb ick mir alleene.“ (‚Ich, das, schau mal, Augen, Fleisch und Beine, wenn du mich nicht liebst, liebe ich mich alleine.‘)


Die lokale Lautung hat ebenfalls viele Besonderheiten. Zugezogene bemerken zuerst den Ersatz von g durch j. Das g wird eigentlich als ein Frikativ-Laut ɣ erhalten, das insbesondere nach dunklen Vokalen eher wie hochsprachliches r klingt, jedoch nach den hellen Vokalen und Halbvokalen i, e, l, r wird der Laut als j gesprochen. (‚Garage‘ zu ‚Jarasche‘) Durch den ɣ-Laut lassen sich standardsprachliches ‚Ohren‘ und Berliner ‚Augen‘ nur schwer auseinanderhalten: ‚Augen‘ klingen in berlinischer Lautung wie ‚Oogn‘, das hochsprachliche ‚Ohren‘ klingt wie ‚Oan‘. Ohne Gewöhnung ist dieser hörbare Unterschied nur schwer zu bemerken. In vielen hochdeutschen Dialekten wurde der Frikativ schon im frühen Mittelalter zu einem Plosiv, welcher das standarddeutsche G darstellt.


Viele Diphthonge werden zu langem Monophthong: au zu oo, ei zu ee. Dies geschieht jedoch nur, wo ei/au schon im Mittelhochdeutschen, bzw. ee/oo schon im Niederdeutschen vorlagen.
So wird zwar ein (mhd. ein) → een (nd. een) und Rauch (nördliches mhd. rauch) → Rooch (nd. rook), aber es bleiben zum Beispiel Eis (mhd./nd. îs) und Haus (mhd./nd. hûs). Diese Verteilung entspricht sowohl dem Niederdeutsch der Mittelmark, welches vor Eindringen des Hochdeutschen in Berlin gesprochen wurde, als auch dem Osterländischen, dem deutschen Dialekt, der das Niederdeutsche in Berlin ursprünglich ablöste. Das Osterländische verbreitete sich in Berlin durch Handelsbeziehungen mit der Stadt Leipzig und galt in der frühen Neuzeit durch das Renommee Sachsens als Prestigedialekt.


Als mitteldeutscher Dialekt an der Grenze zum Niederdeutschen hat das Berlinische die zweite Lautverschiebung in einigen Fällen nicht durchgeführt und behält, wie das Ripuarische, einige Reliktworte sowie geminiertes P: ‚Det‘/‚dit‘ für ‚das‘, ‚wat‘ für ‚was‘ und ‚et‘ für ‚es‘ sowie z. B. ‚Appel‘ und ‚Kopp‘ für ‚Apfel‘ und ‚Kopf‘. Das Beibehalten von P statt PF entspricht ebenfalls dem Osterländischen.



Das Berliner Er/Wir |


Das Berliner Er ist eine in Berlin manchmal noch anzutreffende Form der Anrede, die früher im deutschsprachigen Raum allgemein als eine mögliche Anredeform gegenüber Untergebenen und rangniederen Personen benutzt wurde (s. Erzen).[6] Hierbei wird die dritte Person Singular als Anrede genutzt. So kann es vorkommen, dass in Berlin gefragt wird: „Hatter denn ooch’n jült’jen Fahrausweis?“ („Hat er denn auch einen gültigen Fahrausweis?“) oder „Hattse denn die fümf[7] Euro nich’n bisken kleena?“ („Hat sie denn die fünf Euro nicht ein bisschen kleiner?“ → Bedeutung: ‚Hatter‘ = ‚Hat er‘ und ‚Hattse‘ = ‚Hat sie‘).


Ebenso häufig ist die Redewendung in der ersten Person Plural geläufig (Pluralis Benevolentiae oder Krankenschwester-Plural): „Na, hamwa nu det richt’je Jesöff jewählt?“ oder „Da warn wa wohl’n bisken fix, wa?“. Vergleiche dazu die herrschaftsbetonte Selbstbezeichnung im Pluralis Majestatis, die gegenüber sozial Gleich- oder Niedergestellten in der Neuzeit noch zuweilen als spöttische Anrede verwendet wird. Als Beispiel für den Pluralis Modestiae findet sich bei Schinkel in seinem Reisetagebuch von 1824 immer wieder das Wir haben …, obwohl (im Textzusammenhang) nur er (alleine) sein Tagebuch schreibt.[8]




Redewendungen |


Das Berlinische kennt viele Redewendungen, die teils außerhalb Berlins bekannt geworden sind, wie etwa das ‚JWD‘ = ‚janz weit draußen‘. „Na Mann, du hast heut’ aba wieda ’ne Kodderschnauze“, ist sowohl negativ wie positiv gemeint. Kodderig steht für ‚übel‘ sein (vom Befinden), und gleichzeitig für ‚frech, unverschämt‘ (ähnlich wie ‚schäbbig‘ im Ruhrdeutschen/Westfälischen). „Ne koddrige Schnauze“ ist ein ‚loses Mundwerk‘, das zu allem und jedem „sein’ Senf beijehm muss“ (seine – meist überflüssigen – Kommentare dazugeben muss). Eine Randbemerkung ist so nicht ursächlich beleidigend gemeint, auch wenn sie in anderen Kreisen nur gesagt würde, wenn sie beleidigen soll. Über solche Sätze gehen die Berliner schlicht hinweg und geben einfach einen ähnlichen Satz zurück. Die so entstehenden „Gespräche“ sind noch immer in den Berliner Straßen zu hören, wenn auch bisweilen in hochsprachlicher Lautung. Die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten werden miteinander in Verbindung gesehen: Wer berlinert, dem werden auch ein paar lose Sprüche zugetraut. Auch die Redensart „bis in die Puppen“, geht auf eine Berliner Lokalität zurück: Im 18. Jahrhundert war im Tiergarten der Platz Großer Stern mit Statuen geschmückt, die typisch-lapidar „Die Puppen“ genannt wurden. Wer sonntags besonders weit flanierte, spazierte also „bis in die Puppen“. Angeblich ist das größte Lob, das der Berliner zu vergeben hat: „Da kamma nich meckan.“



Spitznamen |



Der Berliner Volksmund ist berühmt dafür, allgegenwärtig mit Spitznamen durchsetzt und vergleichsweise ruppig zu sein. Wie bei allen Spitznamen (im 17. Jahrhundert spitz = verletzend) handelt es sich meist um Spottnamen, die einen kurzen Ersatznamen für den realen Namen geben, der sich aus den Charakteristika der Sache oder der Person ergibt.


Viele der in Reiseführern und ähnlichen Publikationen genannten Spitznamen sind in der Berliner Alltagssprache kaum gebräuchlich. Ein Beispiel dafür ist die Bezeichnung „Telespargel“ für den Berliner Fernsehturm. Dieser – von offizieller Seite erfundene – Spitzname fand im Volksmund nur wenig Verbreitung.[9]


Nur in wenigen Fällen ist der Spitzname tatsächlich gebräuchlich, etwa beim „Bierpinsel“ und dem „Café Achteck“ für eine historische Bedürfnisanstalt, die „Goldelse“ für die Siegessäule und den aus Mauerzeiten begründeten Namen des „Tränenpalastes“.



Weitere Textbelege |



Aussprachebeispiele |


Im Folgenden markiert der Doppelpunkt eine Entsprechung oder Wortgleichung, in der Form Standarddeutsche Form: Berliner Dialektform. Beide Sprachformen sind historisch gleich alt; es wäre falsch, davon auszugehen, eine der beiden Formen sei aus der anderen hervorgegangen. Manche Berliner Dialektformen bewahren niederdeutsche Verbformen, die die hochdeutsche Lautverschiebung oder die Diphthongierung langer geschlossener Vokale nicht aufweisen, oder sonst ursprünglicher sind, z. B. der Wechsel fv in doofdove, der im Niederdeutschen und übrigens auch im Niederländischen regelmäßig ist und nur im Standarddeutschen aufgegeben ist, jedenfalls im Süden, da er den dort heimischen Dialekten fremd ist.




  • auch : ooch [.mw-parser-output .IPA a{text-decoration:none}
    oːχ]


  • auf [
    aʊ̯f] : uff [
    ʊf]


  • bisschen [
    ˈbɪsçən] : bissken [
    ˈbɪsʝən]


  • dann [
    dan] : denn [
    dɛn] (n [
    ] bei Verschmelzung: was ist denn? [
    vasˈɪsˌdən] : wat is ’n? [
    vatˈɪzn], verkürzt: wat’n? [
    ˈvatn])


  • das [
    das] : dit [
    dɪt] / det [
    dɛt]


  • die [
    diː] : die [
    diː] / de [
    ] (ne [
    ] bei Verschmelzung: in die [
    ɪn diː] : inne [
    ɪnə] Beispiel: „Ick jeh’ inne Wanne.“)


  • doofe [
    ˈdoːfə] : dove [
    ˈdoːvə]


  • ein [
    aɪ̯n] : ’n [
    ] (unbestimmter Artikel)


  • elf [
    ɛlf] : ölv(e) [
    ˈœlvə]


  • es [
    əs] : it [
    ɪt] (t
    ​[⁠t⁠]​, zum Teil auch s bei Verschmelzung: wenn er es [
    ˈvɛnˀeːɐ̯ˀəs] : wennat [
    ˈvɛnat], geht es : jeht et, aber verkürzt jeht’s; letzteres ist aber ein historisch junges Phänomen)


  • -es [
    -əs] : -et [
    -ət] (alles [
    aləs] : allet [
    alət])


  • etwas [
    ˈɛtvas] / was [
    vas] : wat [
    vat]


  • fünf [
    fʏnf] : fümv(e) [
    ˈfʏmvə]


  • gucken [
    ˈgʊkən] : kiek’n [
    ˈkiːkŋ̍]


  • ich [
    ɪç] : ick [
    ɪk]


  • kein [
    kaɪ̯n] : keen [
    keːn] (mit Suffixen -e, -er, -s; Beispiel: „Ham wa keene Würschte mehr?“)


  • nein [
    naɪ̯n] : [
    nøː] / nee [
    neː]


  • nicht [
    nɪçt] : nich [
    nɪç]


  • nichts [
    nɪçts] : nüscht [
    nʏʃt] / nichs [
    nɪçs] / nix [
    nɪks]


  • Schnauze : Schnute (im Sinne von ‚Mund‘ bzw. ‚Gesicht‘ bei: „Zieh nich so ’ne Schnute!“)


  • solche [
    ˈzɔlçə] : so ’ne [
    ˈzoːnə] (auch für die Mehrzahl)


  • und [
    ʊnt] : un’ [
    ʊn]


  • viele [
    ˈfiːlə] : ville [
    ˈfɪlə] oder vülle [
    ˈfʏlə]


  • weil [
    vaɪ̯l] : wall [
    val]



Textbeispiele |



Der Biberpelz

I, schinden tun se dich also bei Kriegers?

Nee, so a armes Kind aber ooch! – Mit so was komm mer ock

uffgezogen! A Frauenzimmer wie a Dragoner …! Nanu faß

an, dort unten a Sack! Du kannst dich woll gar nich tälscher

anstellen? Bei mir haste damit kee Glicke nich! 's Faulenzen

lernste bei mir erscht recht nich!

Nu sag' ich dersch aber zum letzten Male
– .mw-parser-output .Person{font-variant:small-caps}
Gerhart Hauptmann: Der Biberpelz, Komödie, 1893



________________________________________



Die Allerschürfste

Du denkst, Du bist die Allerschürfste für mich,

biste aba nich. Ick fin Dir widerlich.

Du denkst, Dir findet wirklich jeder hier geil,

is aber nich so, janz im Jejenteil.

Du kommst hier reien als jehört Dir die Welt,

als wär jeder Tisch nur für Dir bestellt.

Du glotzt ma an, hau ab, Du machst mir noch krank.

Du willst all’n jefallen. Du hast nich mehr alle Tassen im Schrank.

Du nervst, Du nervst.

Ick würd Dir so jern eine hauen.

Du bist völlich behämmert.

Du hast nich mehr alle Latten am Zauen.

Is doch wahr …

Du denkst, Du bist die Allerschürfste für mich,

biste aba nich. Ick fin dir widerlich.

Du denkst, Du bist wirklich unwiderstehlich,

biste aba ebend jerade nich.

Die Ärzte: Die Allerschürfste, Album Die Bestie in Menschengestalt, 1993



________________________________________



Berliner Klopsgeschichte

Ick sitz’ am Tisch und esse Klops,

uff eenmal klopp’s.

Ick kieke, staune, wunda mir,

uff eenmal jeht se uff, de Tier!

„Nanu!“, denk’ ick, ick denk’: „Nanu?

Jetz isse uff, erst war se zu?!“

Ick jehe raus und kieke

und wer steht draußen? … Icke.



________________________________________



Volksmund [2]

Ach is dett jemütlich uff de Pferdebahn,

dett eene Pferd, ditt zieht nich,

dett andre, dett is lahm,

der Kutscher kann nich kiek’n,

der Konduktör nich seh’n,

und alle zehn Minuten,

da bleibt die Karre steh’n.



________________________________________





„Abraham“, sprach Bebraham, „kann ick mal dein Zebra ha’m?“




Kalauer[2]


________________________________________



Mariechen zu Mariechen: „Lass ma ma’ riechen.“
Da ließ Mariechen Mariechen ma’ riechen.

Kalauer



________________________________________



Singt eener uffn Hof [10]

Ick hab ma so mit dir jeschunden,

Ick hab ma so mit dir jeplacht.

Ick hab in sießen Liebesstunden

zu dir „Mein Pummelchen“ jesacht.

Du wahst in meines Lehms Auf un Ab

die Rasenbank am Elternjrab.


Mein Auhre sah den Hümmel offen,

ick nahm dir sachte uffn Schoß.


An nächsten Tach wahst du besoffen

un jingst mit fremde Kerle los.

Un bist retuhr jekomm, bleich un schlapp –

von wejen: Rasenbank am Elternjrab!


Du wahst mein schönstet Jlück uff Erden,

nur du – von hinten und von vorn.

Mit uns zwee hätt et können werden,

et is man leider nischt jeworn.

Der Blumentopp vor deinm Fensta,

der duftet in dein Zimmer rein …

Leb wohl, mein liebes Kind, und wennsta

mal dreckich jeht, denn denke mein!



______________________________________



Würklichkeitsjetreue Schilderung eena Lügenjeschichte [11]

N umherjewürbelta Schefdirijent,

n olla abjeschmürjelta Fallschürmjägerjeneral

(imma mit Rejenschürm),

n jeistesfawürrta Jefängnisdirektor

und n Ziejenhürt mit na Hürnjeschwulst

kloppen sich ürjentwo

im brandenburgberlinerischn Waldjebürge

innem herunterjewürtschaftetn Demontaschefürmenjebäude

nebm na Kürche

mit viel Jeschürr und Jeklürr

um n famöjenswürksames Hürschjeweih.


Det für mausetot jehaltne Hürschjetier

is jedoch noch janz lebendich und am Lehm,

aba wejen m fapeiltn Jeschehn völlich ürrejeführt;

schnubbat daher nich nur aus Falejenheit

anna jut beleechtn Käsestulle rum

– ürjentwann vom fürznjährijen Fliesenleejajeselln

aus Jeschmacksfaürrung liejenjelassn –

und würft sich ditte am Ende

mit jeschlossnen Oogen

jeschmeidich hinta de Kiem’.


Wat? Een Hürsch und Kiem’?

Nich würklich – is ja ooch ne Lügenjeschichte,

aba würklichkeitsjetreu jeschildat;

uff jedn.



________________________________________





„Ick muss sagen, siehst richtich schnieke aus, Keule.

Dit wa’ ne echt dufte Entscheidung, Männeken.“




Aus einer „Deutschlern-Kassette“[12]


________________________________________





„Awa det Scheenste am Abend, det war janz hinten, in eener Losche, da saß son janz stilla, janz bescheidena oller Mann in jrauen Haaren, mit’n jrauen Anzuch, der kieckte sich, janz in die Ecke jedrückt, den Zimt an. Det war der Meester Zille selba, janz valejen, det die son Radau um ihn machen.“




Berliner Tageblatt[13]


________________________________________



Altberliner Kinderreim

Wenn ick am Fensta steh’

und schlach ’ne Scheibe entzwee’

dann setztet Keile

’ne janze Weile.

Un wenn ick’s nochmal tu’,

krieje ick no’ mehr dazu.

Da mach ick mir nüscht draus

und schlach noch eene aus.



________________________________________



Budiker Friebel 1780, Molkenmarkt 11 [2]

Meine Wurscht is jut,

wo keen Fleisch is, da is Blut,

wo keen Blut is, da sind Schrippen,

an meine Wurscht ist nich zu tippen.



________________________________________



Kinderreim

Ick stehe uff da Brücke

Und spuck' in’n Kahn,

Da freut sich de Spucke,

Det se Kahn fahren kann.



________________________________________



Berliner Reim

„Mir“ und „mich“ verwechsl’ ick nich,

dit kommt bei mich nich vor.

Meen Köta looft nich mit mit mich,

und rennt mich weg durchs Tor.


„Mir“ und „mich“ verwechsl’ ick nich,

dit kommt bei mich nich vor.

Ick hab’n kleen’n Mann im Ohr,

der sacht mich allet vor.



________________________________________





„Watt weenst’n?“ – „Mein Vadda hat mir jehaun.“ – „Aber Paule! Mein Vater hat mich gehauen!“ – „Wadd’n? Dir ooch?“




Karl Krause[2]


________________________________________





„Und was ist ihr Beruf, Fräulein?“ – „Ick arbeete uff Strom!“ – „Dann hat ihr Vater einen Kahn?“ – „Ach nee, uff die A.E.G.“




Berufszählung[2]


________________________________________





„[…] Sie werden es mir gewiß erlauben, daß ich Ihren Brief in dem nächsten Stücke abdrucken lassen darf – und ich schmeichle mich, daß […] wenn Sie ihm Gruß und Dank von mir bringen, so wird er Sie gern den Kanal zeigen […] ich hoffe Sie dadurch nicht lästig zu werden.“




Brief von David Gilly an Friedrich Schinkel vom 14. Dezember 1804.[14]



Sprechbeispiele |


Einige Synkopen:




  • jehn – gehen


  • kehna – keiner


  • watt – was


  • Watt’n? – Was denn?


  • haste – hast du


  • ooch – auch


  • Der Hamma liecht uffm Tüsch. – Der Hammer liegt auf dem Tisch.


  • Jips jibs inna Jipsstraße. Jibs da keen Jips, jibs jar keen Jips. – Gips gibt es in der Gipsstraße. Gibt es da keinen Gips, gibt es gar keinen Gips.


  • Ne jut jebratne Janz is ne jute Jabe Jottes. – Eine gut gebratene Gans ist eine gute Gabe Gottes.


  • Dit jibs ja janich – Das gibt es ja gar nicht


  • Dit is ja JWD. (janz weit draußn / ganz weit draußen) – im Sinne von weit weg, außerhalb


  • Watt soll’n dit? – Was soll denn das?


  • Ick kanns nich glob’n. – Ich kann es nicht glauben.


  • Allet juht – Alles gut


  • Ick hab’ – Ich habe


  • Dit hamm' wa – Das haben wir


Verwandtschaft:




  • die Keule – kleiner Bruder


  • die Atze – großer Bruder (auch im Sinne von „enger Freund“)


  • die Schwelle – Schwester


  • die Ollen – Eltern


  • die Ische – Lebensabschnittsgefährtin


Zusammenziehungen:



  • „'tjibsonich! 'tkannowonneewas(e)in!“ – Das gibt es doch nicht! Das kann doch wohl nicht wahr sein!

  • „'thajkda schomajesacht. 'twürd nienlehmwat.“ – Das habe ich dir schon mal gesagt. Das wird nie im Leben was.

  • „Ikrijtnich hin. Kannstma kiekn?'“ – Ich kriege es nicht hin. Kannst du mal gucken?



Literatur |



  • Theodor Constantin: Berliner Schimpfwörterbuch. 8. Aufl. Edition Jule Hammer, Haude & Spener, Berlin 1984, ISBN 3-7759-0236-8.


  • Der kleine Duden, Sonderausgabe Berlin. Dudenverlag, Mannheim 2005, ISBN 3-411-14072-0.

  • Norbert Dittmar, Peter Schlobinski: Wandlungen einer Stadtsprache – Berlinisch in Vergangenheit und Gegenwart. Colloqium-Verlag, 1988, ISBN 3-7678-0704-1.


  • Adolf Glaßbrenner: „ne scheene Jejend is det hier!“: Humoresken, Satiren, komische Szenen, Berlin, Eulenspiegel-Verlag, 1976.

  • Ewald Harndt: Französisch im Berliner Jargon. Neuausgabe Berlin 2005, ISBN 3-89773-524-5.


  • Agathe Lasch: „Berlinisch“. Eine berlinische Sprachgeschichte. Hobbing, Berlin 1928. digital.zlb.de: Digitalisat (Digitalisat europeanalocal).

  • Hans Meyer, Siegfried Mauermann, Walther Kiaulehn: Der richtige Berliner in Wörtern und Redensarten. ISBN 3-406-45988-9 (Nachweis von Digitalisaten älterer Ausgaben auf Wikisource).


  • Hans Ostwald: Berlinerisch (Reihe Was nicht im Wörterbuch steht, Bd. II), Piper Verlag, München 1932.

  • Jens Runkehl (Bearbeiter): Lilliput Berlinerisch. Langenscheidt, Berlin / München 2003, ISBN 3-468-20034-X.

  • Joachim Schildt, Hartmut Schmidt: Berlinisch – Geschichtliche Einführung in die Sprache einer Stadt. Akademie-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-05-000157-7.

  • Peter Schlobinski: Berliner Wörterbuch. arani Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-7605-8640-6.


  • René Goscinny, Albert Uderzo: Asterix balinat 1 – Die Platte jottweedee, Übatrajn von Silke Knocke und Sven Kugler, Mundart, Buch 20, Delta Valach JmbH, Stuttjaat 1998, ISBN 3-7704-2255-4.



Weblinks |



 Wiktionary: Berlinerisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


 Wiktionary: Berlinisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


 Wikisource: Berlinische Wörterbücher – Quellen und Volltexte


  • Ruth Reiher: Berliner Dialekt.

  • Wörterbuch des Berlinischen auf mediensprache.net

  • Janin Wölke: „Icke, dette, kiekemal – du weest schon, wat ick meene!“ Gibt es noch die „Berliner Schnauze“, was ist das überhaupt und wer spricht noch so in Berlin?

  • Geschichte der Berliner Mundart



Einzelnachweise |




  1. Viertel-Dreiviertel-Verbreitungskarte


  2. abcdefghi Hans Ostwald: Der Urberliner. Paul Franke, Berlin 1928


  3. Paul Franke Verlag, Berlin 1928, S. 6


  4. Peter Honnen: Alles Kokolores? – Wörter und Wortgeschichten aus dem Rheinland. Greven, Köln 2008, ISBN 978-3-7743-0418-5, S. 71ff.


  5. vergleiche: Icke, icke bin Berlina, wer mir haut, den hau ich wieda nach Wölke (Memento des Originals vom 5. Dezember 2010 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.zfs.uni-freiburg.de


  6. Georg Büchners Dramenfragment Woyzeck: „Ich hab’s gesehn, Woyzeck; er hat an die Wand gepißt, wie ein Hund“


  7. ‚Fümf‘ anstatt ‚fünf‘ anne fümf Finga abklawiern, abzehln aber ‚fuffzehn‘ (15) und ‚fuffzich‘ (50) (Memento des Originals vom 8. August 2014 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/130.73.102.69 (PDF; 6,5 MB)


  8. Gottfried Riemann (Hrsg.): Karl Friedrich Schinkel – Reisen nach Italien – Zweite Reise 1824. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1994, ISBN 3-351-02269-7.


  9. Berliner Fernsehturm (Memento des Originals vom 27. Mai 2013 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berlin.de auf den Internetseiten der Stadt Berlin, abgerufen am 15. Mai 2013


  10. Kurt Tucholsky, 1932


  11. Det Pauly, 2003


  12. Fernsehserie Die Simpsons, Kraftwerk zu verkaufen, Staffel 3, Folge 11


  13. März 1925


  14. Brief von David Gilly an Friedrich Schinkel vom 14. Dezember 1804. In: Gottfried Riemann (Hrsg.): Karl Friedrich Schinkel – Reisen nach Italien – Erste Reise 1803–1805. Aufbau-Verlag, Berlin Weimar 1994, S. 260 f, ISBN 3-351-02269-7.




Popular posts from this blog

Арзамасский приборостроительный завод

Zurdera

Крыжановский, Сергей Ефимович